Bericht über die Stadtteilaktionen

Der Verlauf der Aktivitäten gegen den Neonaziaufmarsch in Tübingen am 21.7. kann insgesamt als Erfolg angesehen werden. Die Stadtteilaktionen unter dem Motto "No Go Area for Nazis" haben dazu einen guten Beitrag geleistet. Folgende Aktionen sind aus unserer Koordination hervorgegangen

- Demonstration aus dem Frz. Viertel und der Südstadt mit ca. 500 Personen
- Demonstrationen vom Haagtorplatz und Kupferbau und anderen Orten zum Bahnhof.
- Kurzfristige Besetzung des Bahnsteigs am Hbf. Tübingen
durch Bahnreisende von den Vorortbahnhöfen Derendingen und Weststadt aus sowie durch ein Überschreiten der Gleise durch ca. 50 Personen aus der Demonstration heraus.
Einige der AktivistInnen wurden kurzfristig von der Polizei festgehalten. Diejenigen, die im Bahnhofsgelände protestierten, wurden nach Aufnahme der Personalien ohne weitere Konsequenzen aus dem Bahnhof "abgeschoben".

- Demonstration auf den Busbahnhof/Bahnhofsvorplatz und dortige Installation unseres Lautsprecherwagens direkt an der Absperrung. Mit diesem Lautsprecherwagen haben wir die Demonstrierenden 5 Stunden lang mit aktuellen Informationen auf dem Laufenden gehalten und mit Musik unterhalten. Der Wagen ist zum Kristallisationspunkt des Protests geworden. Zahlreiche Menschen haben Ansprachen gehalten. Neben OB Boris Palmer, MdB Heike Hänsel und MdEP Tobias Pflüger auch VertreterInnen von Initiativen und Organisationen wie z.B. Martin Gross (Verdi), Jens Rüggeberg (VVN), Suse Haas (Bloch-Chor) und Christoph Hölscher (AL) u.a. Darüber hinaus haben wir auch "Aktivbürger" sprechen lassen, die uns über längere Zeit eher angepöbelt als unterstützt haben, indem sie uns z.B. vorgeworfen haben, die Sicht zu versperren oder zur angeblichen Eskalation beizutragen. Wir sehen das insgesamt so, dass wir mit unserem "integrativen" Ansatz dafür gesorgt haben, dass die Leute informiert wurden, dass sie lautstark protestieren konnten und dass es eben nicht zu einer Eskalation kam (Zitat eines Sprechers: "Wir sind friedlich, aber lautstark"), sondern dazu, dass die Nazis nicht an uns vorbei demonstrieren durften. Als Höhepunkt unserer Präsenz mit dem Lautsprecherwagen kann die Situation angesehen werden, als die Neonazis bis auf 50 Meter an die Absperrung vorrücken durften und wir dies zum Anlass nahmen, das beliebte Stück "Schrei nach Liebe" von den Ärzten abzuspielen. Auch diejenigen, die uns zeitweise kritisch gegenüberstanden, schrien an der entsprechenden Stelle aus vollem Hals das "A-Wort". Das war kraftvoll, mit der nötigen Klarheit und einem Schuß Humor und eben nicht aggressiv oder eskalierend.

Gesamt-Bewertung: Was nur ein Teilerfolg ist, sollte nicht zu sehr hochgejubelt werden!
Nicht nur die Vertreter der Stadt Tübingen und die bürgerlichen Medien, sondern auch manche Initiativen und Vereine haben das Tübinger "Bürgerfest" gegen die Neonazis als vollen Erfolg gewertet. Zweifellos ist die Tatsache, dass sehr viele Menschen auf den Beinen waren und mit sehr vielen und sehr unterschiedlichen Aktivitäten großes Engagement gezeigt haben, als Erfolg zu werten. Im Unterschied zu anderen Städten ist auch als positiv zu werten, dass sich Stadt, Universität, Parteien, Gewerkschaften u.a. nicht damit begnügt haben, ihren Protest fernab der Neonazidemo abzuhalten, sondern dazu aufgerufen haben, auf den Europaplatz bzw. vor den Bahnhof zu kommen. Die direkte Auseinandersetzung mit Polizei und Neonazis ist nicht den Linken oder gar nur der Antifa überlassen worden, die man dann hinterher wohlfeil kritisiert, sondern es ist selbst Kante gezeigt worden. Auch die klare Ansage von OB Palmer, dass er ein Verbot der NPD unterstützt, geht über das hinaus, was anderswo geschieht.

Das alleinige Erfolgskriterium kann nun aber nicht sein, dass die Sache bunt und friedlich abgelaufen ist. Den Erfolg geschmälert hat die Tatsache, dass eine Neonazi-Demo letztlich stattgefunden hat. Es ist versucht worden, das auf juristischem Weg zu verhindern. Damit hat die Stadt ihre Schuldigkeit getan. Es ist aber nicht gelungen, es auf der Straße zu verhindern. Wenn es stimmt, dass der Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen ist, hat das bunte Tübingen doch vor dem entscheidenden Schritt gezögert: Mit massenhaftem zivilem Ungehorsam wäre es möglich gewesen, die Neonazis tatsächlich von Tübingen fernzuhalten. Die gemachten Versuche sind an der kurzen Vorbereitungszeit, aber auch an der nicht ausreichenden Entschlossenheit gescheitert. Es soll aber hier nicht an dem Verlauf der jetzigen Aktionen herumgehadert werden. Ich sehe nur die Chance, dass für den (nicht wünschenswerten) Wiederholungsfall mit mehr Entschlossenheit auf diese Karte gesetzt werden könnte. Zivilen Ungehorsam verstehe ich als gewaltfreie Protestmethode, die durch begrenzte Regelverletzung legitime Ziele erreichen kann, die durch bloßen Protest nicht erreicht werden können. Es wären sicher nicht mehr alle damit einverstanden gewesen, wenn etwa der Bahnsteig von hunderten von Menschen mit einer Sitzblockade besetzt worden wäre. Es hätte aber in diesem Fall ohne "Eskalation" dazu führen können, dass es keinen Neonazimarsch in Tübingen gegeben hätte. Insofern sind solche Vorgehensweisen zu überlegen, wenn wir über einen Teilerfolg hinauskommen wollen.

Diese Einschätzung ist eine Einzelmeinung und es wäre gut, wenn sie breit diskutiert werden würde.
Euer Hanskarl
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