Montag, 23. Juli 2007

Bericht über die Stadtteilaktionen

Der Verlauf der Aktivitäten gegen den Neonaziaufmarsch in Tübingen am 21.7. kann insgesamt als Erfolg angesehen werden. Die Stadtteilaktionen unter dem Motto "No Go Area for Nazis" haben dazu einen guten Beitrag geleistet. Folgende Aktionen sind aus unserer Koordination hervorgegangen

- Demonstration aus dem Frz. Viertel und der Südstadt mit ca. 500 Personen
- Demonstrationen vom Haagtorplatz und Kupferbau und anderen Orten zum Bahnhof.
- Kurzfristige Besetzung des Bahnsteigs am Hbf. Tübingen
durch Bahnreisende von den Vorortbahnhöfen Derendingen und Weststadt aus sowie durch ein Überschreiten der Gleise durch ca. 50 Personen aus der Demonstration heraus.
Einige der AktivistInnen wurden kurzfristig von der Polizei festgehalten. Diejenigen, die im Bahnhofsgelände protestierten, wurden nach Aufnahme der Personalien ohne weitere Konsequenzen aus dem Bahnhof "abgeschoben".

- Demonstration auf den Busbahnhof/Bahnhofsvorplatz und dortige Installation unseres Lautsprecherwagens direkt an der Absperrung. Mit diesem Lautsprecherwagen haben wir die Demonstrierenden 5 Stunden lang mit aktuellen Informationen auf dem Laufenden gehalten und mit Musik unterhalten. Der Wagen ist zum Kristallisationspunkt des Protests geworden. Zahlreiche Menschen haben Ansprachen gehalten. Neben OB Boris Palmer, MdB Heike Hänsel und MdEP Tobias Pflüger auch VertreterInnen von Initiativen und Organisationen wie z.B. Martin Gross (Verdi), Jens Rüggeberg (VVN), Suse Haas (Bloch-Chor) und Christoph Hölscher (AL) u.a. Darüber hinaus haben wir auch "Aktivbürger" sprechen lassen, die uns über längere Zeit eher angepöbelt als unterstützt haben, indem sie uns z.B. vorgeworfen haben, die Sicht zu versperren oder zur angeblichen Eskalation beizutragen. Wir sehen das insgesamt so, dass wir mit unserem "integrativen" Ansatz dafür gesorgt haben, dass die Leute informiert wurden, dass sie lautstark protestieren konnten und dass es eben nicht zu einer Eskalation kam (Zitat eines Sprechers: "Wir sind friedlich, aber lautstark"), sondern dazu, dass die Nazis nicht an uns vorbei demonstrieren durften. Als Höhepunkt unserer Präsenz mit dem Lautsprecherwagen kann die Situation angesehen werden, als die Neonazis bis auf 50 Meter an die Absperrung vorrücken durften und wir dies zum Anlass nahmen, das beliebte Stück "Schrei nach Liebe" von den Ärzten abzuspielen. Auch diejenigen, die uns zeitweise kritisch gegenüberstanden, schrien an der entsprechenden Stelle aus vollem Hals das "A-Wort". Das war kraftvoll, mit der nötigen Klarheit und einem Schuß Humor und eben nicht aggressiv oder eskalierend.

Gesamt-Bewertung: Was nur ein Teilerfolg ist, sollte nicht zu sehr hochgejubelt werden!
Nicht nur die Vertreter der Stadt Tübingen und die bürgerlichen Medien, sondern auch manche Initiativen und Vereine haben das Tübinger "Bürgerfest" gegen die Neonazis als vollen Erfolg gewertet. Zweifellos ist die Tatsache, dass sehr viele Menschen auf den Beinen waren und mit sehr vielen und sehr unterschiedlichen Aktivitäten großes Engagement gezeigt haben, als Erfolg zu werten. Im Unterschied zu anderen Städten ist auch als positiv zu werten, dass sich Stadt, Universität, Parteien, Gewerkschaften u.a. nicht damit begnügt haben, ihren Protest fernab der Neonazidemo abzuhalten, sondern dazu aufgerufen haben, auf den Europaplatz bzw. vor den Bahnhof zu kommen. Die direkte Auseinandersetzung mit Polizei und Neonazis ist nicht den Linken oder gar nur der Antifa überlassen worden, die man dann hinterher wohlfeil kritisiert, sondern es ist selbst Kante gezeigt worden. Auch die klare Ansage von OB Palmer, dass er ein Verbot der NPD unterstützt, geht über das hinaus, was anderswo geschieht.

Das alleinige Erfolgskriterium kann nun aber nicht sein, dass die Sache bunt und friedlich abgelaufen ist. Den Erfolg geschmälert hat die Tatsache, dass eine Neonazi-Demo letztlich stattgefunden hat. Es ist versucht worden, das auf juristischem Weg zu verhindern. Damit hat die Stadt ihre Schuldigkeit getan. Es ist aber nicht gelungen, es auf der Straße zu verhindern. Wenn es stimmt, dass der Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen ist, hat das bunte Tübingen doch vor dem entscheidenden Schritt gezögert: Mit massenhaftem zivilem Ungehorsam wäre es möglich gewesen, die Neonazis tatsächlich von Tübingen fernzuhalten. Die gemachten Versuche sind an der kurzen Vorbereitungszeit, aber auch an der nicht ausreichenden Entschlossenheit gescheitert. Es soll aber hier nicht an dem Verlauf der jetzigen Aktionen herumgehadert werden. Ich sehe nur die Chance, dass für den (nicht wünschenswerten) Wiederholungsfall mit mehr Entschlossenheit auf diese Karte gesetzt werden könnte. Zivilen Ungehorsam verstehe ich als gewaltfreie Protestmethode, die durch begrenzte Regelverletzung legitime Ziele erreichen kann, die durch bloßen Protest nicht erreicht werden können. Es wären sicher nicht mehr alle damit einverstanden gewesen, wenn etwa der Bahnsteig von hunderten von Menschen mit einer Sitzblockade besetzt worden wäre. Es hätte aber in diesem Fall ohne "Eskalation" dazu führen können, dass es keinen Neonazimarsch in Tübingen gegeben hätte. Insofern sind solche Vorgehensweisen zu überlegen, wenn wir über einen Teilerfolg hinauskommen wollen.

Diese Einschätzung ist eine Einzelmeinung und es wäre gut, wenn sie breit diskutiert werden würde.
Euer Hanskarl

Presseberichte

Tagblatt online 23.7.2007
Alles auf einen Blick: Berichte, Bilder und Videos von der Neonazi-Demo und der Gegendemo
(tol). Rund 10.000 Gegendemonstranten standen am Samstag am Tübinger Europaplatz etwa 230 Neonazis gegenüber. Zwischen ihnen allerdings sorgten 1.400 Polizisten dafür, dass die verbalen Attacken nicht eskalierten. Hier eine Zusammenfassung der Berichterstattung der vergangenen zwei Tage.
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Reutlinger Generalanzeiger 23.7.07: Tübingen war ausser sich

Fernsehberichte:
SWR Landesschau 21.7.07
Reutlinger Tübinger Fernsehen 21.7.07

SPENDENAUFRUF

Zur Finanzierung der Aktivitäten gegen die Neonazis haben wir ein Spendenkonto eingerichtet.

Nach Beendigung der Aktivitäten ist ein Minus von rund 500 Euro entstanden. Das Geld wurde verwendet für den Kauf von Megaphonen, für Transparente, Flugblätter und den Lautsprecherwagen. Wir bitten deswegen, zur Deckung des Defizit um Spenden auf u.g. Konto.

Sollte Geld übrig bleiben, werden wir es anderen Initiativen zur Verfügung stellen oder für zukünftige Aktivitäten verwenden.


Spendenkonto: Tübingen gegen Rechts
Konto-Nr: 1392078, KSK Tübingen, BLZ 641 500 20

Samstag, 14. Juli 2007

Linker Aufruf gegen Neonazi-Demo in Tübingen

In Abgrenzung zu dem inhaltlich etwas flachen Mobilisierungsaufruf der Stadt Tübingen kursiert derzeit ein inhaltlicher Aufruf linker Gruppen, in dem die verqueren Ideologien der Neonazis dargestellt und kritisiert werden und in dem auch Kritik an bürgerlichem Konservatismus und staatlicher Migrationspolitik geübt wird. Ganzer Text siehe Rubrik "Linker Aufruf"

Freitag, 13. Juli 2007

AUFRUF

Tübingen 21.Juli 2007
No-Go-Area for Nazis
Aufruf zu Stadtteilaktionen und Teilnahme an der Verhinderung des Neonazi-Aufmarschs

Am 21.Juli wollen die Jungen Nationaldemokraten (JN) sowie sog. „freie Kräfte“ in Tübingen demonstrieren. In Ideologie und Handeln dieser (Neo-)FaschistInnen ist alles vereint, was wir ablehnen und wogegen wir uns einsetzen: Rassismus, sexistische und militaristische Männlichkeit, (völkischer) Nationalismus und „Antikapitalismus“, Antisemitismus, Antiamerikanismus... Seit 1990 wurden in Deutschland 130 Menschen, vor allem MigrantInnen, von Neonazis ermordet und Tausende schwer verletzt. Schon wer sich diesem Spektrum zugehörig fühlt, hat nach unserer Auffassung in Tübingen nichts verloren.

Die Stadt Tübingen hat die Neonazi-Demo verboten. Es ist aber möglich, dass das Verbot gerichtlich aufgehoben wird. Mit bunten und vielfältigen Aktionen sowie durch die Macht der Masse wollen wir uns gemeinsam dem Aufmarsch der Neonazis entgegen stellen.

Wir leisten dazu einen Beitrag durch dezentrale Stadtteilaktionen. Wir haben Kundgebungen in mehreren Stadtteilen angemeldet und wollen uns von dort aus zu den zentralen Aktionen bewegen. Wir rufen euch also auf: Kommt an die Kundgebungspunkte in eurem Stadtteil und schließt euch dem Protest an! Bringt Transparente, Schilder, Fahrräder etc. mit. Lasst Alkohol und alles, was als Waffe gedeutet werden kann, zu Hause. Nehmt was zu essen und zu trinken mit, denn es kann ein paar Stunden dauern. Unser Ziel ist, die Straßen, auf denen die Neonazis anfahren und marschieren wollen, durch unsere Anwesenheit zu blockieren.

Beginn der Kundgebungen: 9.00 Uhr (pünktlich)
Französisches Viertel: Frz. Platz / Panzerhalle
Südstadt: Sternplatz
Derendingen: Bahnhof
Innenstadt: Wildermuthgymnasium
Weststadt: Haagtorplatz
Nordstadt / Lustnau: Kupferbau
Österberg: Leibnizhaus 2
Alte HNO-Klinik Rümelinstr. (Personalrat Uniklinik)
Wer etwas Bestimmtes beitragen möchte, kann uns kontaktieren: hanskarl-oettinger@gmx.net
Weitere Orte, z.B. Derendingen und Österberg, können dazu kommen. Deswegen bitte aktuell im Internet informieren unter http://tuegegenrechts.twoday.net
Spendenkonto: Tübingen gegen Rechts
Konto-Nr: 1392078, KSK Tübingen, BLZ 641 500 20

Die zentralen Aktionen beginnen ab 10 Uhr:
Marktplatz: Kundgebung und Fest (Stadt Tübingen)
Europaplatz: Kundgebung und Aktion (Gewerkschaften)
Südausgang Hbf: Antifa, Aktionsgruppen, LTT
Infos unter www.tuebingen.de/toleranz
http://antinazituebingen.wordpress.de
http://tueinfo.de.am
http://fils-neckar-alb.verdi.de
Vorort-Infos im Radio Wüste Welle 96,6 MHz.

Also dann bis Samstag!
Es rufen auf: Wohnprojekt Provenceweg 3, LU15, Kanak Attak, Club Zatopek, Bündnis gegen Abschiebehaft, Freie Schüler Organisation, Friedensplenum, Attac, Die Linke.Kreisverband, Zentralamerika-Komitee u.a.
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